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Basishygiene
#1
Liebe Foristen,

wie ich an anderer Stelle ja schon schrieb bin ich seit kurzer Zeit wieder als QM in der LM-Industrie tätig (Mischen trockener Zutaten zur Weiterverarbeitung in Industrie und Handwerk).

Ich hätte nun gerne Eure Meinung zu meinen Vorstellung wie Basishygiene aussehen sollte - oder anders gefragt: habe ich (aus meiner Vergangenheit in Betrieben, in der man als QM fast Langweile bekommen konnte weil alles lief) überzogene Vorstellungen?

* Kopfhaar wird vollständig von einem Haarnetz bedeckt; Basecap-ähnliche Kopfbedeckungen (sogar waschbar  Angel ) sind nicht Zweckerfüllend
* Reinigungsgeräte für Boden und Anlagen sind getrennt voneinander zu lagern und hängen nicht so nebeneinander, dass sie sich berühren (könnten)
* ein Schlauch und ein Bodenabfluss und das Vorhandensein von Handseife, -desinfektion und Einwegpapiertüchern ersetzen kein Waschbecken mit entsprechender Ausstattung
* Papiersäcke (mit und ohne Druck oder Etiketten mit Produktnamen) sind nicht geeignet als Abfallsammeltüten, auch wenn man "Abfall" darauf schreibt
* In Bezug auf Fremdkörperproblematik sind gebrochene Kehrichtschaufeln (auch noch die für die Anlagenreinigung  Confused ) nicht zu tolerieren; ebenso wenig geborstene Kunststoffkappen z.B. am oberen Stielende eines Abziehers
* eine (angeblich nur) nicht dokumentierte Funktionskontrolle des Metalldetektors ist gleichzusetzen mit einer nicht erfolgten Kontrolle
* ein Heizkörper ist keine Halterung für Produktschaufeln
* wenn es ein Messerinventar gibt welches sogar regelmässig kontrolliert wird, sollten sich in der Produktion keine "herrenlosen" Messer finden lassen
* es gibt Reinigungspläne die festlegen, wann was womit von wem und wie gereinigt wird und es wird dokumentiert
* Bodenwischgeräte aus Schnüren (auch Mop genannt, aber was ist der Plural? Mops? Moppe? Möppe?) und Stofffetzen aus der Altkleidersammlung (gibts in so grossen Ballen nach Gewicht zu kaufen) sind keine geeigneten Utensilien in Lebensmittelproduzierenden Betrieben
* für Umkleiden, Dusch- und WC-Räume und Handwaschanlagen im Produktions-/Lagerbereich gibt es einen Reinigungsplan (s.o.) und eine Dokumentation (und eventuell sogar eine Kontrolle) der erfolgten Reinigung
* Säcke mit Roh- und Fertigwaren werden nicht direkt auf den Boden gestellt.



Okay, es klingt glaube ich schlimmer als es ist  Confused es tritt nicht alles überall auf, es ist eine Konzentration aller vorgefundenen Einzelpunkte auf möglichst wenige Zeilen!

Also, was meint Ihr? Gerne als kurzen Kommentar oder auch in Form einer Antwort je Punkt, ich bin mit allem glücklich was mir meinen Ansatz bestätigt oder mich wieder auf den Boden zurückholt.

Liebe Grüsse
Saftschubse
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#2
Liebe Saftschubse,
als Hauswirtschafterin hüpft mir das Herz, wenn ich deine Überlegungen lese!
Mir scheinen alle Punkte plausibel, könnten ggf. mit Verweis auf Arbeits- oder Verfahrensanweisungen z. T. konkretisiert oder auf bestimmte Bereiche eingegrenzt werden:
  1. Zur Kappe als "Haarbedeckung": In der Fischverarbeitung ist es üblich, Haarnetze tragen zu lassen und zwar so, dass alle (!) Haare darunter verschwinden - in der Gastronomie wird man damit auf Grenzen stoßen (Gästekontakt, Kochmützen sind Tradition etc...). Du solltest daher ganz deutlich definieren, in welchem Bereich was gilt (mir war z. B. schon immer unverständlich, weshalb Frauen Haarnetze tragen, Männer im gleichen Arbeitsbereich dagegen Kappen).
  2. Den Satz zu den Reinigungsgeräten würde ich etwas umformulieren, damit kein Missverständnis aufkommt: "Reinigungsgeräte für Boden und Anlagen sind getrennt voneinander zu lagern und müssen von allen Seiten trocknen können. Sie dürfen weder den Boden noch sich gegenseitig berühren."
  3. Die beschriebene "Handwascheinrichtung" mittels Schlauch halte ich wegen der Spritzgefahr ebenfalls für unzureichend.
  4. Abfalltüten müssen reißfest und durchfeuchtungssicher sein, Papiertüten und -säcke sind daher nicht geeignet für schwere oder feuchte Abfälle. Für das Bündeln anderer Papierabfälle könnte man sie m. E. jedoch einsetzen, wenn sie dazu deutlich gekennzeichnet werden.
  5. Kaputte und zerfranste Reinigungsgeräte sind nicht nur wegen der möglichen Fremdkörperverteilung problematisch, sondern erfüllen nicht die Anforderung an leicht zu reinigende Oberflächen (in den Rissen und an den Fransen setzt sich Schmutz fest, der kaum oder gar nicht zu entfernen ist).
  6. Was die fehlende Dokumentation der Funktionskontrolle betriftt, gilt der QM-Satz "Was nicht dokumentiert wird, existiert nicht."
  7. Ein Heizkörper ist generell nicht zu belasten, zu besetzen oder zu behängen, weil er aus der Wandverankerung gerissen werden kann und zusammen mit dem ggf. austretenden Wasser (heiß!!) zu Verletzungen oder zum Produktionsstopp führt.
  8. Messer könnte man mittels auf der Klinge aufgelasertem oder wasserfest bedrucktem Batch Code inventarisieren und dann eindeutig zuordnen. Eine nicht erkennbare Inventarisierung ist nutzlos, da nicht zuordbar. Nur so lassen sich private und betriebliche Werkzeuge und Arbeitsgeräte identifizieren und einwandfrei zuordnen.
  9. Reinigungspläne sind eine Mindestanforderung, auf denen der Hinweis, dass eine Dokumentation der gereinigten Gegenstände und Bereiche zu erfolgen hat, meistens fehlt. Ich halte dies für eine sinnvolle Ergänzung.
  10. Ein Mop wurde bei uns immer "Dreckschleuder" genannt - aus gutem Grund! Er ist kein geeignetes Reinigungsgerät, auch weil er sehr lange trocknet und sich der Behang lösen kann. Nur im absoluten Ausnahmefall kann der Mop für die Reinigung schwer zugänglicher Ecken geeignet sein, weil er viel Wasser aufnimmt, das dann zugleich zum Einweichen und bei der Aufnahme fester Verschmutzungen nutzt.
  11. Reinigungsdokumentation für Personalbereich i. O., aber auch hier ist Papier geduldig. Eine Nachkontrolle ist erforderlich.
  12. Säcke mit Roh- oder Fertigwaren sollten auch im Produktionsprozess keine Bodenberührung haben, sondern kippsicher auf Roste oder Wagen abgestellt werden. Im Lager dürfen sie den Boden nicht berühren, weil dieser dann nicht mehr leicht zu reinigen ist.
Ich finde, man kann gar nicht pingelig genug sein, wenn man Audits, Sicherheitschecks und Kontrollen bestehen will. Dies bestätigt auch jede/r gute Sicherheits- und / oder Gesundheitsbeauftragte, sofern der Betrieb so jemanden hat, denn es geht in vielen Fällen nicht nur um hygienisch einwandfreie Produktion, sondern auch um Gesundheitsförderung und Betriebssicherheitsaspekte.
LG
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#3
Liebe Frauen,

was soll ich da noch zu sagen? Tongue 
In meinen Augen ist alles gesagt. Es kommt jetzt im nächsten Schritt nur noch auf die Kommunikation an. Aus meiner Erfahrung stößt man auf weniger Gegenwehr, wenn man jeden Punkt vernünftig begründet - was ja z. T. schon dasteht. Wenn dann alles nicht persönlich wird, sondern sachlich bleibt, sollte den positiven Veränderungen nichts mehr im Weg stehen Smile 

Viele Grüße
etolit_hygiene
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#4
Hach, das geht runter wie Öl.... ich habe die Unterstützung von einem externen Berater (es wurde ja erkannt, dass nicht alles gut ist; deswegen bin ja auch ich jetzt da) und werde meinen "Verbündeten" aus der Geschäftsleitung mit ins Boot nehmen.

Historie: Es gibt keine Anmerkungen von den vielen verschiedenen Zertifizierern, keine vom Amt, keine von anderen externen Beratern...
Jetzt: ....und dann komme ich und will (muss) alles verbessern, da kommt man schon mal an den Punkt, dass man sich selber fragt, ob man noch alle Tassen im Schrank hat.

Auf geht es Richtung Wochenende und nächste Woche wird dann an oben genannten Schwachstellen die Baustellenmarkierung aufgestellt und angefangen zu buddeln und graben und installieren Smile


Liebe Grüsse
Saftschubse
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#5
(24.07.2015, 07:06)Saftschubse schrieb: Hier vielleicht noch ein oder zwei Anmerkungen:

* Kopfhaar wird vollständig von einem Haarnetz bedeckt; Basecap-ähnliche Kopfbedeckungen (sogar waschbar  Angel ) sind nicht Zweckerfüllend
notwendig: Haare stellen immer eine mikrobielle Kontaminationsquelle dar. In den Trockenstoffen stellt das sicherlich nicht per se ein Risiko dar, doch ist es für die nächste Stufe schweirig, diese gefahr einschätzen zu können, da sie versteckt ist.
* Reinigungsgeräte für Boden und Anlagen sind getrennt voneinander zu lagern und hängen nicht so nebeneinander, dass sie sich berühren (könnten)
notwendig: auch hier besteht die Gefahr einer Kreuzkontamination (Allergene/MiBi) und anschließenden Verschlleppung
* Säcke mit Roh- und Fertigwaren werden nicht direkt auf den Boden gestellt.
dito zu oben

WICHTIG: Die mikrobiellen Gefahren hängen immer von den Produkten ab, in denen die Zutaten verwendet werden. Das bedeutet, dass auch für euch unrelevante Keime zum Beispiel bei Lebensmitteln mit Tropentauglichkeit oder Babynahrung eine hohe Relevanz spielen.

* ein Schlauch und ein Bodenabfluss und das Vorhandensein von Handseife, -desinfektion und Einwegpapiertüchern ersetzen kein Waschbecken mit entsprechender Ausstattung
notwendig: wird in jedem GFSI-Standard abgewertet, da es nicht die Punkte der Anforderungen zur Handhygiene erfüllt, des Weiteren mit einem Schlacuh kein kontrolliertes Ablaufen von unsauberem Wasser sichergestellt werden kann.

* Papiersäcke (mit und ohne Druck oder Etiketten mit Produktnamen) sind nicht geeignet als Abfallsammeltüten, auch wenn man "Abfall" darauf schreibt
Wäre für mich in Ordnung. Abfällbehälter müssen zweckmäßig sein und eindeutig gekennzeichnet.
* In Bezug auf Fremdkörperproblematik sind gebrochene Kehrichtschaufeln (auch noch die für die Anlagenreinigung  Confused ) nicht zu tolerieren; ebenso wenig geborstene Kunststoffkappen z.B. am oberen Stielende eines Abziehers
Wäre für mich in Ordnung. Es ist nicht schön, doch es ist unwahrscheinnlich dass während der Reinigungsarbeiten ein Kontaminationsrisiko für die Produkte besteht.

Viele liebe Grüße
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#6
Wie steht Ihr zu diesem Thema: Essen und Rauchen in Arbeitskleidung? Es geht um ein LM mit niedrigem Risiko (für BRCler: Niedrigrisikobereich)

Ich sage "nein"
der BRC6 und BRC7 sagen "nein"
der IFS6 sagt nichts (Risikobewertung....)
die ISO 22002 sagt "Clothing mandated for food protection or hygiene purposes shall not be used for any other purpose.", also Auslegungssache
die ISO 22000 sagt zu Schutzkleidung gar nichts
der "Food hygiene Basic texts, Fourth edition" der ftp://ftp.fao.org/codex/publications/Boo..._2009e.pdf sagt "People engaged in food handling activities should refrain from behaviour that could result in contamination of food, for example:
• smoking;
• spitting;
• chewing or eating;
• sneezing or coughing over unprotected food.", was man als "nein" auslegen kann.
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#7
Hallo Saftschubse,

mit Sicherheit ein kniffliges und spannendes Thema!!

Du fragst bestimmt für die LM-Industrie, da kann ich dir leider nicht weiterhelfen... Ich bin in Großküchen unterwegs und da werden höchsten Vorbinder, Schürzen und Kopfbedeckungen für eine Pause abgelegt. Auch ein großer Caterer, der im Cook & Chill gearbeitet hat und sogar strenge Vorschriften für die Produktion hatte, war schon mal unser Kunde und bei meinem Besuch vor Ort standen die Mitarbeiter/innen draußen und haben geraucht - in Arbeitskleidung, aber ohne Kopfbedeckung und Vorbinder oder Schutzkleidung. Wie es da gesetzlich aussieht, ist meines Wissens nach in den für uns relevanten VO, Gesetzen, Empfehlungen, Normen nicht eindeutig geregelt... Sad
Im Werk "Hygiene in Großküchen" gibt es einen Kommentar zur DIN 10506/10508, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Rauchen im Freien nur dann gestattet werden darf, wenn der Boden befestigt ist und eine Überdachung vorhanden, um die Arbeitskleidung vor Umwelteinschützen zu sichern. Hilft das evtl.? Huh 

Viele Grüße
etolit_hygiene
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#8
Ja, es geht um die Industrie.

ABER - Schutz vor negativer Beeinflussung / Kontaminationen ist ja unabhängig von der Unternehmensgrösse.
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#9
Gerne möchte ich Euch noch eine Rückmeldung geben: ich habe mit der Geschäftsführung diverse Punkte angesprochen und darf viele Änderungen in die Wege leiten Smile

Teilweise war die Reaktion sogar "Wie, das machen wir so? Das geht doch nicht! Das muss geändert werden. Saftschubse, bespreche das mit dem Verantwortlichen und mache eine Abweichung-/Massnahmenliste". Und die Herren sind keine Fachleute in diesem Bereich und deswegen auch max 1x im Jahr im Produktionsbereich. Die wissen nicht, was dort passiert.
Und leider weiss es der Produktionsleiter auch nicht immer, er hat sehr viele Aufgabenbereiche (in anderen Firmen machen das 3-4 Leute) und ist nach den vielen Jahren sicher auch in Teilen betriebsblind. Aber: Auf die eine oder andere Abweichung angesprochen kam eine ähnliche Reaktion wie bei den Herren der Geschäftsleitung! Also Betriebsblindheit kombiniert mit der Tatsache, dass alles ja ganz gut aussieht so lange man nicht irgendwo hinein/dahinter/darunter/... guckt. Und genau das wird nicht gemacht, aber ich werde es ihnen schon noch beibringen.

In diesem Sinne - FROHES SCHAFFEN!
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#10
Vielen Dank für deine Rückmeldung!!!
Das erlebe ich so ähnlich auch hin und wieder - deshalb sollte man manchmal vielleicht gegenseitige Audits mit Partnern wie Lieferanten verantstalten, die haben einen völlig anderen Blick und hinterfragen auch mal Dinge, die sich so eingeschlichen haben...

Viele Erfolg weiterhin!
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#11
Danke! Dir auch!
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