16.12.2006, 11:14
Beobachtungen auf dem Großmarkt: "Das ist richtig schlimm"
Das Firmenschild der Expim ist aus der Halterung vor der Tür
herausgenommen, der Name des Büros 279 im ersten Stock der Halle 101 auf dem Berliner
Großmarkt nicht mehr zu sehen. Die beiden nervös an ihren Zigaretten ziehenden Mitarbeiter
wollen keine Auskünfte geben, der Chef sei gerade beim Anwalt. In der Kälte-Halle, wo das
Gammelfleisch beschlagnahmt wurde, dürfen wir nicht fotografieren, niemand kann sagen, was
mit dem Fleisch geschehen ist.
Der Geschäftsführer des Berliner Großmarktes, Andreas
Foidl, bestätigt, dass das Mietverhältnis mit Expim gekündigt wurde. Es sei zudem besser,
wenn "es zukünftig kürzere Wege zwischen Großmarkt und dem Veterinäramt" gebe.
Nur
Kleinigkeiten am Rande, die geschäftige Betriebsamkeit auf dem Großmarkt an der
Beusselstraße ist auch am vierten Tag nach Bekanntgabe des Gammelfleisch-Skandals
unverändert. "Wir können keine Rückgänge bei den Aufträgen feststellen", sagt der
Marktleiter von Fleisch Recke, Stefan Wetzel. Das Geschäft laufe wie gehabt, aber die
Branche leide trotzdem darunter.
Die Firma Expim war unbekannt im Großmarkt, keiner
der befragten Händler kennt den Namen. Von den kleinen Zwischenhändlern gibt es Hunderte,
sie treten kaum in Erscheinung. Alle werden regelmäßig von der Veterinäraufsicht
kontrolliert, genau wie das Dutzend großer Fleisch-Betriebe.
"Der Verbraucher merkt
langsam, dass Lebensmittel eben nicht verramscht werden können", empört sich Simone
Schiller, die Geschäftsführerin der Fleischerinnung, die ihren Sitz im Großmarkt hat.
Einer der großen Händler im Markt ist Jürgen Wache, seit 30 Jahren dabei. "Es ist nicht
mehr zum Lachen, für die Branche ist das richtig schlimm", sagt er und rechnet vor: 95
Tonnen sind 180 Paletten, das sind 633 000 Putenschnitzel - "damit können Sie halb Berlin
für einen Tag versorgen". Durch die vielen ausländischen Restaurants in der Stadt sei die
Situation besonders schwierig. Es gebe zu viele Zwischenhändler. Dabei sei Fleisch
Vertrauenssache.
Wache glaubt nicht an einen Einzelfall, der jetzt aufflog. Dafür
sei die Menge zu groß, die Organisation zu gut. "Es gibt kein Ehrgefühl mehr in der Branche,
was ich selbst nicht essen würde, biete ich doch meinen Kunden nicht an", bedauert er, "wir
brauchen mehr Kontrollen, die schwarzen Schafe müssen verschwinden".
Artikel
erschienen am 12.12.2006
WELT.de 1995 - 2006
Das Firmenschild der Expim ist aus der Halterung vor der Tür
herausgenommen, der Name des Büros 279 im ersten Stock der Halle 101 auf dem Berliner
Großmarkt nicht mehr zu sehen. Die beiden nervös an ihren Zigaretten ziehenden Mitarbeiter
wollen keine Auskünfte geben, der Chef sei gerade beim Anwalt. In der Kälte-Halle, wo das
Gammelfleisch beschlagnahmt wurde, dürfen wir nicht fotografieren, niemand kann sagen, was
mit dem Fleisch geschehen ist.
Der Geschäftsführer des Berliner Großmarktes, Andreas
Foidl, bestätigt, dass das Mietverhältnis mit Expim gekündigt wurde. Es sei zudem besser,
wenn "es zukünftig kürzere Wege zwischen Großmarkt und dem Veterinäramt" gebe.
Nur
Kleinigkeiten am Rande, die geschäftige Betriebsamkeit auf dem Großmarkt an der
Beusselstraße ist auch am vierten Tag nach Bekanntgabe des Gammelfleisch-Skandals
unverändert. "Wir können keine Rückgänge bei den Aufträgen feststellen", sagt der
Marktleiter von Fleisch Recke, Stefan Wetzel. Das Geschäft laufe wie gehabt, aber die
Branche leide trotzdem darunter.
Die Firma Expim war unbekannt im Großmarkt, keiner
der befragten Händler kennt den Namen. Von den kleinen Zwischenhändlern gibt es Hunderte,
sie treten kaum in Erscheinung. Alle werden regelmäßig von der Veterinäraufsicht
kontrolliert, genau wie das Dutzend großer Fleisch-Betriebe.
"Der Verbraucher merkt
langsam, dass Lebensmittel eben nicht verramscht werden können", empört sich Simone
Schiller, die Geschäftsführerin der Fleischerinnung, die ihren Sitz im Großmarkt hat.
Einer der großen Händler im Markt ist Jürgen Wache, seit 30 Jahren dabei. "Es ist nicht
mehr zum Lachen, für die Branche ist das richtig schlimm", sagt er und rechnet vor: 95
Tonnen sind 180 Paletten, das sind 633 000 Putenschnitzel - "damit können Sie halb Berlin
für einen Tag versorgen". Durch die vielen ausländischen Restaurants in der Stadt sei die
Situation besonders schwierig. Es gebe zu viele Zwischenhändler. Dabei sei Fleisch
Vertrauenssache.
Wache glaubt nicht an einen Einzelfall, der jetzt aufflog. Dafür
sei die Menge zu groß, die Organisation zu gut. "Es gibt kein Ehrgefühl mehr in der Branche,
was ich selbst nicht essen würde, biete ich doch meinen Kunden nicht an", bedauert er, "wir
brauchen mehr Kontrollen, die schwarzen Schafe müssen verschwinden".
Artikel
erschienen am 12.12.2006
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