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Rückverfolgbarkeit - für wen?
#1
Hallo zusammen,
in einer erschreckenden Dokumentation der Reihe ARD Exklusiv wurde am Mittwoch, 09. 03. 2011 vor der "Pangasius-Lüge" gewarnt.
Bekannt ist schon lange, dass Zuchtfisch - als solcher gilt der auch "Schlankwels" genannte Pangasius - in intensiver Haltung problematisch ist, weil
1. Tierschutz nicht gegeben ist,
2. die Tiere aufgrund der beengten Haltung verletzungsgefährdet sind und daher bis zu 50 verschiedene Antibiotika gegeben werden,
3. die Teichabwässer meist ungeklärt in die Flüsse gepumpt werden und
4. für die Fischfutterproduktion Wildfischbestände abgefischt werden.

Der Verbraucher geht bisher davon aus, dass Zuchtfisch die Wildbestände schützt, was für gezüchtete Raubfische allerdings nicht gilt: Pangasius frisst - fast - alles.
Auch dass Fisch mittels Phosphaten und Zitronensäure (zur Wasserbindung) aufgemotzt wird, um dann beim Garen urplötzlich Gewicht zu verlieren, ist altbekannt - dem Gott des Profites wird auch hier fleißig gehuldigt. Uupps, habe ich einen der vielen Täuschungstricks verraten? Tut mir echt nicht leid!

Neu war für mich, dass die Rückverfolgbarkeit nur bis zur Packstation in Europa gewährleistet ist (Pangasius wird meist aus Thailand und Vietnam importiert) und dass der Verbraucher angeblich gar kein Recht auf Auskunft vor dem Hintergrund der Rückverfolgbarkeit hat. Wenn das stimmt, wozu dann der ganze Zauber um "gläserne Produktion" etc.?
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#2
Das frage ich mich auch manchmal... die Woche bekam ich eine Reklamation, bei der es gar nicht so einfach war, unsere Artikelnummer, Charge und Gebindekennzeichnung zu bekommen... am Ende waren es 7 Gebinde aus 3 verschiedenen Chargen <!-- Icon_rolleyes --><img src="{SMILIES_PATH}/icon_rolleyes.gif" alt=":roll:" title="Rolling Eyes" /><!-- Icon_rolleyes --> und das ist kein Kunde, von dem ich das erwartet hätte...
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#3
Hallo alle beisammen,
mein erster Beitrag hier (hihi).
Ich werde versuchen, mich in nächster Zeit hier gut einzuarbeiten und dann auch aktiv mitzudiskutieren <!-- sSmile --><img src="{SMILIES_PATH}/icon_smile.gif" alt="Smile" title="Smile" /><!-- sSmile -->

Ja, zum Thema Rückverfolgbarkeit. Ich denke mal, in erster Linie wird es nur in Schadenersatz- oder Reklamationsfragen interessant, woher genau die beanstandete Ware stammt. Den Endverbraucher interessiert nicht wirklich alles, was inzwischen so auf die Verpackung verbracht wird. Letztenendes haben wir die Feststellung machen können, dass der LEH irgendwann mal damit angefangen hat, eine Riesen-Informationswurst an den Mann (oder die Frau) bringen zu wollen, nur um bei den NGOs gut dazustehen. Und nun schaukeln sich alle gegenseitig hoch, bis dann irgendwann ein Passbild der Ursprungskuh deines Schnitzels mit auf der Packung klebt. Alles zusammen bedeutet reichlich viel Papierkram und Recherche.
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#4
FischRob schrieb:Letztenendes haben wir die Feststellung machen können, dass der LEH irgendwann mal damit angefangen hat, eine Riesen-Informationswurst an den Mann (oder die Frau) bringen zu wollen, nur um bei den NGOs gut dazustehen.

Exakt <!-- sSmile --><img src="{SMILIES_PATH}/icon_smile.gif" alt="Smile" title="Smile" /><!-- sSmile -->

K®ämpfe mich auch gerade durch eine praktikable Lösung für kleine Betriebe und stelle fest, dass es NICHT möglich ist, eine Rückverfolgbarkeit zu gewärhleisten.

Beispiel 1:
IFS-Kunde schreibt für jede Charge /Tagesproduktion) alle Zutaten in einem Tagesprotokoll. Dort drauf von der Messerkontrolle bis hin zu Losnummern einer jeder verwendeten Würzpackung. Käme nun ein Rückruf vom Gewürz/Zutat xyz, so ist es möglich zu sagen, in welchen Tagesproduktionschargen das betreffende Produkt verarbeitet wurde. Auch den Schritt vor kann man belegen, in dem bekannt ist, wohin welche Tagesproduktion gegangen ist (falls schon ausgeliefert). Rückverfolgbarkeit kein Problem, da Tagesweise in Chargen produziert wird und der Schreibkram sich im Rahmen hält, auch wenn es nach übel viel klingt.

Beispiel 2:
Beliebige Metzgerei um die Ecke bekommt von mind. 2 Lieferanten an mind. 3 verschiedenen Tagen eine Fleischlieferung (berücksichtigen wir den Zukauf von Einzelteilen mal nicht, denn dann wird es noch mehr unmöglich).Schweine- oder Rinderhälften werden zerlegt und "just in time" verarbeitet, was gebraucht wird. Sei es für die Theke, Filialen oder gar Verpackung. Kotelettstränge lässt man z.B. hängen, wie auch Schinken im Kühlhaus hängen, da sie z.B. an einem Freitag gemeinsam zum Pökeln/Tumbeln kommen. Das Endprodukt ist also aus "verschiedenen" Stücken und es wird NIE ein kleiner Metzger um die Ecke sagen können, dass sein Wurstglas/Schwenker/Salami o.ä. aus ausschließlich dem und dem Rohstoff von der Lieferung xyz hergestellt wurde.
Denkt man sich den Zukauf von Teilen (z.B. Verarbeitungsfleisch) oder teilweise TK-Fleisch, was man zum Verkuttern zeitig eingefroren hat, dann wird das ganze noch "unmöglicher".

Hier ist guter Rat sehr teuer... da haben es Großbetriebe mit Tageschargen weit einfacher.

In dem Zusammenhang ist es natürlich kein Wunder, dass ein großer deutscher Verband der Lebensmittelwirtschaft, bestehend aus dem Who-is-who der Industrie, die Nährwertkennzeichnung für alle "begrüße".
(Von was denn ein mittlerer Betrieb, der von seiner Vielfalt lebt, denn die ganzen Analysen bezahlen soll, wird gerne übersehen von denen, die mit einer Tagestonnencharge keine Probleme damit haben.)
Wogegen die Herkunftskennzeichnung als ein schier unmögliches und viel zu teures, unpraktikables und unverhältnismäßiges Übel gesehen wird.
(Womit der kleine Betrieb ja eigenartigerweise keine Probleme hat, der o.g. Große aber schon...)

Und so argumentiert der Riese mit seinen Lobbyisten mit Argumenten der Großen und behauptet, die benefits gehen an den kleinen Betrieb.

Aber das ist ja nun ein anderes Thema... Wem ein Einfall für Beispiel 2 einfällt: immer her damit <!-- sIcon_smile --><img src="{SMILIES_PATH}/icon_smile.gif" alt="Icon_smile" title="Smile" /><!-- sIcon_smile -->
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#5
Hallo FischRob, herzlich willkommen als aktiver Teilnehmer im Forum des FKLMH e.V.!

Es ist schwierig festzustellen mit welchen Informationen der Verbraucher zufrieden ist, was zu viel ist und was zu wenig. "Der Verbraucher" ist mittlerweile so breit estreut in seinen Interessen und Bedürfnissen!
Ich lebe in der Schweiz und hier ist sehr schnell und einfach festzustellen, dass der Schweizer seine Swissness sehr hoch hält. Liegt EU-Ware neben schweizer Ware, greift der Schweizer zur schweizer Ware.

Dann gibt es wieder Informationen, die nur einer bestimmten Gruppe dienen, wie z.B. Allergeninformationen. Ich kann dann aber auch verstehen, wenn eine andere Grupper Verbraucher (die vielleicht nichtmal die Informationen aus gesundheitlichen Gründen benötigt wie z.B. Vegetarier) auch sgt "ich will aber auch wissen ob XY...".

Wo ist die Grenze?


Aber um zur Rückverfolgbarkeit zu kommen: der Aspekt der möglichst weiten Weitergabe von Reklamationen ist sicher der am meisten genutzte, aber eigentlich ist der Ansatz ja mal ein anderer gewesen: möglichst schnell die Kette der Warenver- und -bearbeitung identifizieren zu können um im Fall von Gefahr nicht wertvolle Zeit zu verlieren.
Und dafür braucht es auf einer Verpackung nur ein Feld mit den Angaben, mit denen der Hersteller die Vorstufen identifizieren kann bzw. umgekehrt ein System, mit dem er Produkte identifizieren kann die mit einer bestimmten Zutat hergestellt wurden.

LG
Saftschubse
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#6
Willkommen FischRob,
wir dürfen sicher gespannt sein auf die Diskussion mit dir - Fischindustrie, richtig? Da kennst du die "Exoten-Zuchtfisch"-Debatte sicher genau - spannend...

Zum Thema Rückverfolgbarkeit - wie das Wort schon sagt: Ein Lebensmittel muss rückverfolgbar sein und nicht in jedem Fall rückverfolgt werden.

Natürlich verfolgt kein Verbraucher sein Fischstäbchen bis unter die Eisscholle zurück und ist dazu auch gar nicht in der Lage, u. a. weil die bewusst verklausilierte Kennzeichnung und das teilweise mikroskopisch kleine Layout auf der Verpackung das gar nicht ermöglichen. Letzteres hatte bisher den zweifelhaften Vorteil, dass ich meine Fehlsichtigkeit bemerkt habe, aber selbst mit Brille und Lupe ist da oft nichts zu lesen. 8O ...Hach, da hatten wir´s als Jäger und Sammler tatsächlich leichter, als die Haie noch mit der Faust gejagt wurden!

Dass die Rückverfolgbarkeit gewährleistet sein muss, ist aber keine Erfindung der Einzelhändler, sondern steht in den einschlägigen EU-VO´s 178:2002 (Grundsatzforderung), 183:2005 (Einrichtung eines Schnellwarnsystems -> RASFF) etc. Aktuell hier zu finden: http://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmitte..._node.html.

Der Verdacht liegt nahe, dass diese Forderung gerade vom Handel durch den Aufdruck "Abgepackt für Handelskette xy" systematisch unterlaufen wird.

Zudem ging´s in dem o. g. Filmbeitrag auch um bewusste Irreführung hinsichtlich der angeblich umweltkonformen Produktionsweise im Fischereiwesen - machen wir uns nichts vor: Nicht nur dort, auch hier im Forum wird diskutiert, wie man die Gesetze und Vorgaben so auslegt, dass der Verbraucherschutz legal umgangen wird...

Der Verbraucher meint hier, mit dem Konsum von Zuchtfisch einen Beitrag zum Ressourcenschutz zu leisten - auf der Verpackung prangt das entsprechende Symbol - Weiterverarbeiter und Handel vertuschen die Tatsachen und spielen "Feuerzangen-Bowle" (Nu´stelle mer uns ma janz dumm...).

Die Primärproduzenten in den genannten Ländern interessiert das nicht, solange die Genannten in Europa die Produktionsweise decken. Leidtragend sind nicht zuletzt die Zuchten im Inland, die gegen die Billigviecher nicht ankommen.
Aber vielleicht gehen die ja mal auf die Barrikaden? Aldi und Lidl haben mit der Beseitigung von Milchseen vor ihren Läden als Protest gegen Milchpreis-Dumping ja schon Erfahrungen und Fisch stinkt bekanntlich auch recht schnell...
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#7
Jawollo, richtig erkannt, mglass (Fischindustrie). Habe da auch schon so einige Ansätze, die ich hier gern besprochen hätte um ein Sammelsurium an Hilfestellungen auch für die Zukunft parat zu haben. <!-- Icon_lol --><img src="{SMILIES_PATH}/icon_lol.gif" alt=":lol:" title="Laughing" /><!-- Icon_lol -->

Gerade bei den Zuchtfischen (Pangasius vorallem) aber auch bei neueren Fischarten in diesem Sektor (gerade wird der Tilapia von unseren Händlern groß angepriesen) ist wahrscheinlich erstmal nur der Preis der entscheidende Faktor. Der Händler sagt: "Der Fisch kommt von Ort A" damit ist der Pflicht erstmal gut getan, der Rest ist (noch) egal. Bis dann plötzlich ein Beitrag im TV oder den Printmedien erscheint und man die Folgen davon auch auf dem Papier zu spüren bekommt. Dann erst kommen die unangenehmen Fragen und Antworten zu eben jenen Zuchtmethoden.

Im Großen und Ganzen kann man die Rückverfolgung, gerade bei tonnenweiser Verarbeitung von Rohstoffen, allenfalls nur grob skizzieren. Wenn man 4 große Behälter Sahne (BagInBoxen á 1000kg) vor sich hat, ist es, bedingt durch den Herstellungsprozess, für mich nicht glaubhaft nachzuweisen, woher die Milch dazu herkommt. Sowas wird aber inzwischen erwartet. Was dann wieder an Beispiel 2 von LuxQM anknüpft. Sonderregelungen sind mir keine bekannt. Und wenn es eine gäbe, würde wahrscheinlich die gesamte Rückverfolgungsmethodik in Frage gestellt. Dann sind plötzlich alles "Ausnahmesituationen".
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#8
mglass hat es schön beschrieben.

mglass schrieb:Dass die Rückverfolgbarkeit gewährleistet sein muss, ist aber keine Erfindung der Einzelhändler, sondern steht in den einschlägigen EU-VO´s 178:2002 (Grundsatzforderung)

Nach der 178/2002 ist jeder Lebensmittelunternehmer verpflichtet nachzuweisen, von welchem Lieferanten er die Rohstoffe bekommen und an welche Kunden er die Produkte abgegeben hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dies gilt für alle Lebensmittelunternehmer in der EU und für alle Importeure. Und damit endet die Verpflichtung in der ersten Stufe vor dem Import. Der Rest ist eine freiwillige Sache.

Übrigens gilt ab 1. Juli diesen Jahres für Lebensmittelunternehmer, welche tierische Lebensmittel in Verkehr bringen zusätzlich die EU-VO 931/2011. Doch hier wird nur eine detailiertere Information, keine "längere" gefordert. So müssen der zuständigen Behörde nach Aufforderung folgende Informationen zu einer Sendung mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs zur Verfügung gestellt werden:
- Beschreibung des LM's
- Volumen und Menge
- Name und Anschrift des Versenders
- Name und Anschrift des Eigentümers
- Name und Anschrift des Empfängers
- Bezugsnummer
- Versanddatum
Hier wird jetzt auch geregelt, dass es sich um tagesgenaue Informationen handeln muss. Aber auch hier muss nur die vorhergehende Stufe und die nachfolgende Stufe beschrieben werden.

mglass schrieb:Der Verdacht liegt nahe, dass diese Forderung gerade vom Handel durch den Aufdruck "Abgepackt für Handelskette xy" systematisch unterlaufen wird.
- Das glaube ich nicht. Auf Fertigpackungen muss der Inverkehrbringer der Ware aufgebracht werden, also das Unternehmen, auf welches die Produkthaftung übergeht. Wenn die Handelskette den Hersteller verpflichtet, die Variante mit "abgepackt für: ..." zu verwenden, ist die Handelskette der erste Ansprechpartner.
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