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Der "Internet-Pranger" meldet sich zurück
#1
Neue gesetzliche Grundlagen für behördliche „Internet-Pranger“

8. Mai 2015


Das BMEL hat den Entwurf einer neuen gesetzlichen Regelung vorgelegt, auf dessen Grundlage künftig die Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen durch die Behörden erfolgen soll. Hiermit soll die umstrittene Vorgängerregelung des § 40 Abs. 1 a) LFGB abgelöst werden, die in der Vergangenheit Grundlage zahlreicher Diskussionen und rechtlicher Auseinandersetzungen war. Da zahlreiche Gerichte verfassungsrechtliche Bedenken geäußert hatten, wurde der Vollzug dieser Vorschrift weitestgehend ausgesetzt. Durch die nunmehr vorgelegte neue Regelung soll den Bedenken der Gerichte Rechnung getragen werden und, wie vom Bundesrat gefordert und im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine rechtssichere Veröffentlichung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht sichergestellt werden.
Ergänzt wurde nunmehr eine gesetzliche Löschungsfrist von sechs Monaten. Außerdem wurde eine Härtefallklausel eingefügt, nach der die Behörde von einer Veröffentlichung absehen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte für die betroffenen Unternehmer erforderlich ist. Zu begrüßen ist, dass nunmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Behörde geschaffen werden soll, das betroffene Unternehmen vor einer Veröffentlichung anzuhören. Im Rahmen dieser Anhörung hat das betroffene Unternehmen die Möglichkeit, auf den weiteren Gang des Verfahrens Einfluss zu nehmen, bevor die Behörde vollendete Tatsachen schafft.
Klargestellt wird ferner, dass eine Information auch dann zu erfolgen hat, wenn der der Veröffentlichung zugrundeliegende Mangel bereits beseitigt worden ist. In diesem Fall soll jedoch zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass der Mangel behoben wurde. Neu aufgenommen wurde die Veröffentlichung im Falle von Unterschreitungen von Mindestgehalten sowie bei Stoffverboten (sog. Nulltoleranzen).
Beibehalten wurde trotz zahlreicher vorgebrachter Bedenken eine grundsätzliche Veröffentlichungspflicht in den Fällen, in denen die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR „zu erwarten ist“. Zusätzlich soll eine Informationspflicht auch bei der Abgabe von der Verwaltungsbehörde an die Staatsanwaltschaft bestehen. Beibehalten wurde ferner auch die Regelung, dass der Verstoß auf der Grundlage von mindestens „zweier unabhängiger Untersuchungen“ festgestellt werden muss ohne Klarstellung derbislang heftig diskutierten Frage, ob die Untersuchungsbefunde von zwei unterschiedlichen Untersuchungsämtern stammen müssen, wie es teilweise von den Verwaltungsgerichten angenommen wurde.
Das Gesetzgebungsverfahren ist bislang noch nicht abgeschlossen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Regelung in der vorliegenden Fassung in Kraft treten wird. Über die weitere Entwicklung werden wir selbstverständlich berichten.

Stand
: 08.05.2015

Redaktion:
Manuel Immel, Rechtsanwalt, Gummersbach, info@kwg.eu
Haftungsausschluss: Obgleich dieser Informationsbrief sorgfältig erstellt wurde, kann keine Haftung für Fehler oder Auslassungen übernommen werden. Dieser Informationsbrief stellt keinen anwaltlichen Rechtsrat dar und ersetzt keine auf den Einzelfall bezogene anwaltliche Beratung. Hierfür stehen die Rechtsanwälte der Kanzlei  KWG Rechtsanwälte zur Verfügung.
 
Der Fachkreis- Lebensmittelhygiene e.V. bedankt sich herzlich für die Genehmigung, den durch die Kanzlei KWG Rechtsanwälte erstellten Newsletter im FKLMH-Forum veröffentlichen zu dürfen.
Dank und Gruß an Herrn Immel.

Viele Grüße

Michael Bäuml
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#2
Ich denke, das kein Artikel die Lebensmittel-Inverkehrbringer so stresst, wie der § 40 unseres LFGB. Nun rollen wir die nächste runde auf. Der Gesetzgeber muss bis zum 30.04. nächsten Jahres eine neue Regelung implementieren, denn das Bundesverfassungsgericht hat entscheiden, dass unser Abschnitt 1 a unvereinbar mit dem Artikel 12 des Grundgesetztes ist, der da lautet: "Alle Deutschen haben das Recht, Arbetsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen." Die Logik dahinter kann aber wahrscheinlich nur ein Jurist verstehen.
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#3
Neue Entscheidung des OVG NRW zu § 40 Abs. 1a LFGB
Von CIBUS • 22. Januar 2019

Das OVG NRW hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 15.01.2019, Az. 13 B 1587/18, hier abrufbar) mit der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Veröffentlichung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 21.03.2018 auseinandergesetzt.

Konkret ging es um die von der zuständigen Behörde auf der Internetplattform „lebensmitteltransparenz.nrw.de“ beabsichtigte Veröffentlichung einer Überschreitung von gesetzlichen Höchstmengen. Das OVG stellt zunächst klar, dass die Frage der Veröffentlichungsdauer derartiger Einträge einer einzelfallbezogenen Befristungsentscheidung der zuständigen Behörde bedarf. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Löschungsfrist von 12 Monaten als angemessen angesehen. Damit habe es aber lediglich zum Ausdruck gebracht, dass eine 12 Monate überschreitende Veröffentlichungsdauer nicht in Betracht kommt, aber nicht erklärt, dass jede diesen zeitlichen Rahmen einhaltende Veröffentlichungsdauer auch in jedem Einzelfall angemessen ist.

Des Weiteren hat das OVG auch der von der Behörde vorgesehenen Angabe „Hersteller/Importeur/Inverkehrbringer/Verantwortlicher für die Kennzeichnung“ im Zusammenhang mit der Nennung des betroffenen Unternehmens eine Absage erteilt. Denn eine solche Formulierung lasse keinen Rückschluss darauf zu, in welcher dieser Rollen das in der Veröffentlichung benannte Unternehmen auf dem Markt tätig und für die veröffentlichte Höchstmengenüberschreitung verantwortlich sei. Diese Angabe ist nicht unerheblich, sondern für den Zweck der Information, die Verbraucher in die Lage zu versetzen, ihre Konsumentscheidung in Kenntnis der veröffentlichten Missstände zu treffen und ggf. vom Vertragsschluss mit dem benannten Unternehmen abzusehen, von Bedeutung. Während bei einem Erzeuger naheliegt, dass er den veröffentlichten Höchstmengenverstoß durch den Einsatz entsprechender Substanzen selbst verursacht hat, ist dem Importeur keine unmittelbare Verursachung vorzuhalten. Dabei ist die Frage nach der Rolle des Unternehmens auf dem Markt für eine Konsumentscheidung des Verbrauchers insofern von Bedeutung, als bei einem unmittelbar verantwortlichen Hersteller die größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch weitere Chargen von der veröffentlichten Höchstmengenüberschreitung betroffen sein könnten. Bei einem Importeur, der typischerweise über mehrere Bezugsquellen verfügt, sei eine solche Wahrscheinlichkeit erheblich geringer.

Schließlich war die von der Behörde beabsichtigte Veröffentlichung, die eine Höchstmengenüberschreitung bei Kulturheidelbeeren betraf, auch deshalb unverhältnismäßig, weil sie außerhalb der Saison für Heidelbeeren nur noch wenig geeignet ist, die Konsumentscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen und das betroffene Unternehmen zum rechtskonformen Handeln „zu erziehen“. Da entsprechende Konsumentscheidungen des Verbrauchers für die Dauer der Veröffentlichung nicht mehr zu erwarten sind, überwiegt der drohende Reputationsverlust des betroffenen Unternehmens und damit einhergehende Umsatzeinbußen das lediglich geringe öffentliche Interesse an der Information der Öffentlichkeit.

Durch Entscheidung des OVG NRW wird klar, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit von § 40 Abs. 1a LFGB keinen „Freifahrtschein“ für die Behörden zur Veröffentlichung jedweder Beanstandungen darstellt. Vielmehr bedarf es in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Interessenabwägung zur Gewährleistung einer verfassungskonformen Anwendung der Norm, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die mit einer Veröffentlichung von Informationen einhergehende Beeinträchtigung des Unternehmens von erheblichem Gewicht sein kann.

Redaktion: Manuel Immel
Quelle: CIBUS Rechtsanwälte
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