12.02.2012, 11:07
Am Donnerstag wird das Umweltministerium im Bayerischen Landtag berichten, wo beim Großbäcker Müller-Brot in Neufahrn buchstäblich der Wurm drin war.
Dabei wird der Brezn- und Semmel-Käufer aller Voraussicht nach ein altbekanntes Ritual erleben, das er schon aus der Zeit von Gammelfleisch und anderen unappetitlichen Skandalen kennt.
Die Kontrollbehörden werden sich missverstanden fühlen – nach dem Motto: Wenn die Polizei einen Dealer-Ring auffliegen lässt, sind die Beamten Helden, wenn die Lebensmittelprüfer aber Mäusekot und Schaben in der Backstraße finden, haben sie versagt.
Und die Opposition wird sich gemeinsam mit dem angeekelten Verbraucher fragen, warum es immer so lange dauert, bis sie von den Behörden über die Missstände informiert werden.
Erinnerungen an Birkel
Der Freisinger Grünen-Politiker Christian Magerl, Vorsitzender im Umweltausschuss, der den Bericht eingefordert hatte, wurde bei seinen Recherchen zu dem Hygieneskandal in der Brotfabrik in Neufahrn im Landkreis Freising immer wieder mit einem uralten Argument abgespeist. Es wurde immer der Fall Birkel erwähnt. Der schwäbische Nudelhersteller war vor über 20 Jahren in den Verdacht geraten, verschmutztes Flüssig-Ei zu verwenden.
Nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung musste das Land Baden-Württemberg dem Unternehmen damals 13 Millionen Mark Entschädigung bezahlen, weil Firma und Arbeitsplätze pauschal in Misskredit gebracht worden seien.
„Der Name Birkel ist seither in den Landkreisen, den Bundesländern und bis ins (Bundes-)Ministerium die Garantie dafür, dass in den Köpfen der Beamten die rote Warnleuchte angeht: Vorsicht Gefahr“, sagte einmal die ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz Renate Künast (Grüne).
Arbeitsplätze gefährdet
Ihr Parteifreund Magerl will jetzt niemandem eine ähnliche Rücksichtnahme auf einen großen Arbeitgeber im Landkreis Freising unterstellen. Aber angesichts der schwerwiegenden Vorkommnisse, die jetzt schon bekannt sind, "ist es nicht nachvollziehbar, dass Landratsamt und Landesamt für Lebensmittelsicherheit nicht früher den Weg an die Öffentlichkeit gegangen sind". Die geltende Rechtslage hätte Spielraum dafür geboten. Sollt eine vorauseilende Sorge um Arbeitsplätze, die durch bessere Kontrollen gefährdet sein könnten, eine Rolle gespielt haben, hält er für nicht richtig.
„Jetzt sind die Arbeitsplätze bei Müller viel stärker gefährdet.“ Für den Grünen-Politiker stellen sich schon jetzt, vor dem Bericht des Ministeriums, zahlreiche Fragen: „Warum flossen die Informationen so zäh – angefangen von der Lüge des Unternehmens, das den Produktionsstopp mit einem Schwelbrand begründete.“
Der Grünen-Abgeordnete, der Biologe ist, zweifelt, dass es tatsächlich keine Gesundheitsgefährdung gegeben habe: "Nach allem, was jetzt an Schädlingsbefall bekannt wurde, erscheint es schwer vorstellbar, dass die Ware bei der Auslieferung bedenkenlos war."
Mit einer Forderung nach einer grundsätzlichen Neuorganisation des Verbraucherschutzes in Bayern hält sich Magerl zurück.
Bislang sind je nach Fall entweder das Justizministerium oder das Umweltministerium oder das Landwirtschaftsministerium oder das Innenministerium zuständig.
Der SPD-Verbrauchersprecher Horst Arnold plädiert dafür, den Verbraucherschutz wie im Bund dem Landwirtschaftsministerium zuzuordnen. Die Freien Wähler, die in Freising den Landrat stellen, halten sich in der Sache bemerkenswert bedeckt.
Grünen-Politiker Magerl will prüfen, ob ab einer gewissen Dimension nicht mehr das Landratsamt, sondern gleich das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständig sein sollte. Nach Angaben eines Informanten des Grünen-Abgeordneten war in der Back-Branche schon 2008 die Rede davon, dass es in der Neufahrner Brotfabrik nicht sauber zugehe.
Monatelang gewartet
Ein Jahr später begann auch die verstärkte Überwachung der Behörden. Zunächst durch das Landratsamt, später auch durch das Landesamt für Gesundheit. Besonders eilig hatte man es aber offenbar nicht immer: So hatte das Landratsamt zwar am 10. Mai 2011 eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Landshut gestellt, die Anzeige bezog sich aber auf eine Betriebskontrolle, die schon am 2. Oktober 2010, also sieben Monate zuvor stattgefunden hatte.
Dass die Staatsanwaltschaft nicht mit ihren Erkenntnissen an die Öffentlichkeit ging, begründet das Justiz- und Verbraucherschutzministerium damit, dass keine Informationspflicht besteht. Das heißt: Staatsanwälte sind nicht für die Warnung der Öffentlichkeit zuständig, sondern für die Aufklärung von Straftaten.
Hintergrund des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Landshut war der Verdacht, dass von Neufahrn aus Brotwaren in den Verkehr gebracht wurden, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet waren.
Das wäre eine Straftat nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz. Das Problem besteht dabei aber, dass eine bestimmte Person verantwortlich gemacht werden muss. Dieser Nachweis ist in einem großen Betrieb mit 1100 Mitarbeitern schwierig. Noch wird ermittelt.
Zahlreiche Kontrollen
Das Umwelt- und Gesundheitsministerium ist dennoch überzeugt, dass die Lebensmittelüberwachung funktionierte: „Wie jeder Lebensmittelbetrieb unterlag auch die Firma Müller-Brot mit ihrer Produktionsstätte in Neufahrn der kontinuierlichen, risikoorientierten amtlichen Überwachung“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
Die Firma Müller-Brot sei seit 2009 mehr als 20 Mal kontrolliert worden. „Im Betrieb der Firma Müller-Brot fanden regelmäßige und zahlreiche Kontrollen statt. Der Verbraucherschutz war zu jederzeit gewährleistet und hat oberste Priorität.“
Zunächst seien die Mängel auf einzelne Teilbereiche beschränkt gewesen. Diese wurden jeweils auf Anordnung der Behörden beseitigt. „Erst im Januar 2012 ergab sich, dass durch Einzelmaßnahmen keine dauerhafte Sanierung des Betriebs möglich war. Deswegen wurde als Konsequenz die Produktion am Standort Neufahrn vollständig gestoppt.“
Obwohl eigentlich alles seine Ordnung habe, hat bei Gesundheitsminister Marcel Huber aber ein Umdenken eingesetzt. Bayern unterstützt eine Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes.
Die Schwelle für die Information der Öffentlichkeit soll etwas gesenkt werden: „Die Behörden können dann Unternehmen, die wiederholt schwerwiegend gegen die Lebensmittelhygiene verstoßen, klar benennen – auch ohne dass eine Gesundheitsgefahr vorliegt“, erklärte Huber.
Der Gesetzgeber stärke damit den Lebensmittelüberwachern den Rücken und erhöhe den Druck auf Betriebe, die Hygienevorschriften in erheblichem Maß missachten. Tritt die Regelung in Kraft, könnten solche Betriebe auch öffentlich benannt werden.
Quelle: Welt Online 12.02.2012
Anmerkung:
Was geht mir hier durch den Kopf?
- Was ist IFS überhaupt wert, wenn die Auditoren schön in Ihrem Büro die einzelnen Punkte in Listen und Tabellen auswerten, ohne sich einen EINBLICK in dem Betrieb zu verschaffen?
- Was hat es mit der Informationspflich der Behörden auf sich, die bei gravierenden Mängeln den Verbraucher über derartige Missstände informieren MÜSSEN?
- Wieso wurde der Betrieb von 2009 bis heute 22x ordnungsbehördlich kontrolliert und keine mangelbeseitigenden Massnahmen getroffen. Die Zahlung von Strafgeldern in höhe von 75.000,00€ macht eine Backstube ja schließlich nicht sauber.
- Was sagen die Dokumente der Eigenkontrollen aus?
- Wieder einer der Betriebe, die den Ruf einer ganzen Innung durch den Dreck zieht
Schönen Sonntag
Viele Grüße
Michael
Dabei wird der Brezn- und Semmel-Käufer aller Voraussicht nach ein altbekanntes Ritual erleben, das er schon aus der Zeit von Gammelfleisch und anderen unappetitlichen Skandalen kennt.
Die Kontrollbehörden werden sich missverstanden fühlen – nach dem Motto: Wenn die Polizei einen Dealer-Ring auffliegen lässt, sind die Beamten Helden, wenn die Lebensmittelprüfer aber Mäusekot und Schaben in der Backstraße finden, haben sie versagt.
Und die Opposition wird sich gemeinsam mit dem angeekelten Verbraucher fragen, warum es immer so lange dauert, bis sie von den Behörden über die Missstände informiert werden.
Erinnerungen an Birkel
Der Freisinger Grünen-Politiker Christian Magerl, Vorsitzender im Umweltausschuss, der den Bericht eingefordert hatte, wurde bei seinen Recherchen zu dem Hygieneskandal in der Brotfabrik in Neufahrn im Landkreis Freising immer wieder mit einem uralten Argument abgespeist. Es wurde immer der Fall Birkel erwähnt. Der schwäbische Nudelhersteller war vor über 20 Jahren in den Verdacht geraten, verschmutztes Flüssig-Ei zu verwenden.
Nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung musste das Land Baden-Württemberg dem Unternehmen damals 13 Millionen Mark Entschädigung bezahlen, weil Firma und Arbeitsplätze pauschal in Misskredit gebracht worden seien.
„Der Name Birkel ist seither in den Landkreisen, den Bundesländern und bis ins (Bundes-)Ministerium die Garantie dafür, dass in den Köpfen der Beamten die rote Warnleuchte angeht: Vorsicht Gefahr“, sagte einmal die ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz Renate Künast (Grüne).
Arbeitsplätze gefährdet
Ihr Parteifreund Magerl will jetzt niemandem eine ähnliche Rücksichtnahme auf einen großen Arbeitgeber im Landkreis Freising unterstellen. Aber angesichts der schwerwiegenden Vorkommnisse, die jetzt schon bekannt sind, "ist es nicht nachvollziehbar, dass Landratsamt und Landesamt für Lebensmittelsicherheit nicht früher den Weg an die Öffentlichkeit gegangen sind". Die geltende Rechtslage hätte Spielraum dafür geboten. Sollt eine vorauseilende Sorge um Arbeitsplätze, die durch bessere Kontrollen gefährdet sein könnten, eine Rolle gespielt haben, hält er für nicht richtig.
„Jetzt sind die Arbeitsplätze bei Müller viel stärker gefährdet.“ Für den Grünen-Politiker stellen sich schon jetzt, vor dem Bericht des Ministeriums, zahlreiche Fragen: „Warum flossen die Informationen so zäh – angefangen von der Lüge des Unternehmens, das den Produktionsstopp mit einem Schwelbrand begründete.“
Der Grünen-Abgeordnete, der Biologe ist, zweifelt, dass es tatsächlich keine Gesundheitsgefährdung gegeben habe: "Nach allem, was jetzt an Schädlingsbefall bekannt wurde, erscheint es schwer vorstellbar, dass die Ware bei der Auslieferung bedenkenlos war."
Mit einer Forderung nach einer grundsätzlichen Neuorganisation des Verbraucherschutzes in Bayern hält sich Magerl zurück.
Bislang sind je nach Fall entweder das Justizministerium oder das Umweltministerium oder das Landwirtschaftsministerium oder das Innenministerium zuständig.
Der SPD-Verbrauchersprecher Horst Arnold plädiert dafür, den Verbraucherschutz wie im Bund dem Landwirtschaftsministerium zuzuordnen. Die Freien Wähler, die in Freising den Landrat stellen, halten sich in der Sache bemerkenswert bedeckt.
Grünen-Politiker Magerl will prüfen, ob ab einer gewissen Dimension nicht mehr das Landratsamt, sondern gleich das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständig sein sollte. Nach Angaben eines Informanten des Grünen-Abgeordneten war in der Back-Branche schon 2008 die Rede davon, dass es in der Neufahrner Brotfabrik nicht sauber zugehe.
Monatelang gewartet
Ein Jahr später begann auch die verstärkte Überwachung der Behörden. Zunächst durch das Landratsamt, später auch durch das Landesamt für Gesundheit. Besonders eilig hatte man es aber offenbar nicht immer: So hatte das Landratsamt zwar am 10. Mai 2011 eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Landshut gestellt, die Anzeige bezog sich aber auf eine Betriebskontrolle, die schon am 2. Oktober 2010, also sieben Monate zuvor stattgefunden hatte.
Dass die Staatsanwaltschaft nicht mit ihren Erkenntnissen an die Öffentlichkeit ging, begründet das Justiz- und Verbraucherschutzministerium damit, dass keine Informationspflicht besteht. Das heißt: Staatsanwälte sind nicht für die Warnung der Öffentlichkeit zuständig, sondern für die Aufklärung von Straftaten.
Hintergrund des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Landshut war der Verdacht, dass von Neufahrn aus Brotwaren in den Verkehr gebracht wurden, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet waren.
Das wäre eine Straftat nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz. Das Problem besteht dabei aber, dass eine bestimmte Person verantwortlich gemacht werden muss. Dieser Nachweis ist in einem großen Betrieb mit 1100 Mitarbeitern schwierig. Noch wird ermittelt.
Zahlreiche Kontrollen
Das Umwelt- und Gesundheitsministerium ist dennoch überzeugt, dass die Lebensmittelüberwachung funktionierte: „Wie jeder Lebensmittelbetrieb unterlag auch die Firma Müller-Brot mit ihrer Produktionsstätte in Neufahrn der kontinuierlichen, risikoorientierten amtlichen Überwachung“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
Die Firma Müller-Brot sei seit 2009 mehr als 20 Mal kontrolliert worden. „Im Betrieb der Firma Müller-Brot fanden regelmäßige und zahlreiche Kontrollen statt. Der Verbraucherschutz war zu jederzeit gewährleistet und hat oberste Priorität.“
Zunächst seien die Mängel auf einzelne Teilbereiche beschränkt gewesen. Diese wurden jeweils auf Anordnung der Behörden beseitigt. „Erst im Januar 2012 ergab sich, dass durch Einzelmaßnahmen keine dauerhafte Sanierung des Betriebs möglich war. Deswegen wurde als Konsequenz die Produktion am Standort Neufahrn vollständig gestoppt.“
Obwohl eigentlich alles seine Ordnung habe, hat bei Gesundheitsminister Marcel Huber aber ein Umdenken eingesetzt. Bayern unterstützt eine Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes.
Die Schwelle für die Information der Öffentlichkeit soll etwas gesenkt werden: „Die Behörden können dann Unternehmen, die wiederholt schwerwiegend gegen die Lebensmittelhygiene verstoßen, klar benennen – auch ohne dass eine Gesundheitsgefahr vorliegt“, erklärte Huber.
Der Gesetzgeber stärke damit den Lebensmittelüberwachern den Rücken und erhöhe den Druck auf Betriebe, die Hygienevorschriften in erheblichem Maß missachten. Tritt die Regelung in Kraft, könnten solche Betriebe auch öffentlich benannt werden.
Quelle: Welt Online 12.02.2012
Anmerkung:
Was geht mir hier durch den Kopf?
- Was ist IFS überhaupt wert, wenn die Auditoren schön in Ihrem Büro die einzelnen Punkte in Listen und Tabellen auswerten, ohne sich einen EINBLICK in dem Betrieb zu verschaffen?
- Was hat es mit der Informationspflich der Behörden auf sich, die bei gravierenden Mängeln den Verbraucher über derartige Missstände informieren MÜSSEN?
- Wieso wurde der Betrieb von 2009 bis heute 22x ordnungsbehördlich kontrolliert und keine mangelbeseitigenden Massnahmen getroffen. Die Zahlung von Strafgeldern in höhe von 75.000,00€ macht eine Backstube ja schließlich nicht sauber.
- Was sagen die Dokumente der Eigenkontrollen aus?
- Wieder einer der Betriebe, die den Ruf einer ganzen Innung durch den Dreck zieht
Schönen Sonntag
Viele Grüße
Michael