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Schädlingsbefall - ja oder nein
#1
Hallo zusammen,
eine durchaus ernstgemeinte Frage: Ab wann reden wir von einem Befall? Beispiel: eine Maus in der Außenanlage - kein Befall, da sich alles ausserhalb der Gebäude abspielt. Die Maus rennt in den Eingangsbereich und dann in die Werkstatt des Hausmeisters - haben wir hier schon einen Befall?? Sie ist (noch) nicht in den Produktionsräumen - also kein Problem?? In der Produktion - alles klar. Befall. Nun tut uns die Maus den Gefallen und rennt in eine zur Befallsermittlung aufgestellten Falle oder frisst etwas wirkstoffhaltigen Köder. Vielleicht hat sie das auch schon in der Aussenanlage (befallsunabhänige Dauerbeköderung) oder in der Werkstatt getan. Dann läuft ja der count down. Aufgrund der Wirkungsweise dauert es aber ein paar Tage, bis die Maus irgendwo liegen bleibt und kann zwischendurch ja noch ein wenig Schaden anrichten. Gilt das dann auch noch/schon als Befall?
Wie seht Ihr das? Ab wann reden wir tatsächlich von Befall? Bei jedem Einzeltier, erst beim Überschreiten des Schwellenwertes, oder ...?
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#2
Befall ist bei Feststellung. Das ergibt sich doch von selbst durch das Monitoring und da die Feststellung eine potentielle Gefahr darstellt, ist Feststellung gleich Befall.
Ob der Befall allerdings für die Produkte wiederum relevant ist, ergibt sich aus dem Ort des Befalls. Hier bei Außenfallen wohl eher geringes Risiko. (Wobei mir das mit den Außenfallen eh ein Dorn im Auge ist)
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#3
Zum Thema Befall und Monitoring. Die Beste Frage, die ich bei einem Seminar darüber gehört habe war, welche Schadnagerbekämpfung in einem Reinraum zulässig ist. Die Antwort des Dozenten war einleuchtend: Wenn Sie sich darüber Gedanken machen, haben Sie keinen Reinraum. Icon_smile
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#4
(17.02.2021, 17:59)LuxQM schrieb: Befall ist bei Feststellung.
 
Guten Abend,

ich würde das anders sehen. Zwischen den beiden Begriffen "Befall" und Befallsermittlung" zu unterscheiden, ist sehr schwierig. Viele der in Deutschland zertifizierten Lebensmittelbetriebe orientieren sich im Aufbau ihres Lebensmittelsicherheitssystem an der IFS - International Feature Standards. Dieser hat 2018 einen entsprechenden Leitfaden zusammen mit dem Deutschen Schädlingsbekämpfer Verband e.V. herausgegeben. Leider keinen Einfluss in diesen Leitfaden fand die bereits lange in Deutschland vorliegenden DIN 10253:2016 "Schädlingsbekämpfung in Lebensmittelbetrieben".

Im Leitfaden des IFS ist im Glossar keine Definition der beiden Begriffe "Befall" und "Befallsermittlung" beschrieben worden, auch wenn die verschiedenen IFS-Standards selbst, den begriff "Befall" in den Anforderungen verwenden. Weitergehende Definitionen findet mensch in der DIN-Norm DIN 10523:2016 "Lebensmittelhygiene – Schädlingsbekämpfung im Lebensmittelbereich" und in der, auch im Leitfaden zitierten DIN-Norm DIN EN ISO 16636:2015 "Schädlingsbekämpfungsdienstleistungen - Anforderungen und Kompetenzen". Im Hinblick auf deutsche Lebensmittelbetriebe sollte für deren Dokumentation aus meiner Sicht die die DIN 10523 fokussiert hinzugezogen werden, da sie:
1.) … für den bundesdeutschen Raum erstellt wurde und daher auch deutsche Besonderheiten berücksichtigen kann
2.) … neuer als die 16636 ist und
3.) … speziell das System der Schädlingsbekämpfung in Lebensmittelbetrieben und nicht allgemein die Dienstleistung beschreibt.


Klar wird in der Norm dargestellt: "Die … Norm steht im Zusammenhang mit den rechtlichen Regelungen … der VO (EG) Nr. 852/2004, dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und der Lebensmittelhygiene-Verordnung … In diesem Sinne ist die Norm zur Thematik Schädlingsbekämpfung als Handlungsanleitung zu verstehen, der Verpflichtung zur Schädlingsbekämpfung nachzukommen." Damit stellt sie für den bundesdeutschen Raum eine umzusetzende Rechtsauffassung dar,

In dieser Norm wird die Schädlingsbekämpfung folgendermaßen definiert:
a) Prävention = Maßnahmen, um Schädlinge fernzuhalten, abzuwehren, ihnen Lebensgrundlagen zu entziehen oder um die Befallserkennung zu erleichtern
b) Befallsermittlung = Feststellung der möglichen Befallssorte, der Befallsausbreitung, der Befallsstärke, gegebenenfalls der Befallsart oder der Feststellung „Kein Befall“.
c) Bekämpfung =  Maßnahmen, um die Ausbreitung und Vermehrung von Schädlingen in einer Betriebsstätte zu reduzieren bzw. einen Befall zu tilgen
d) Dokumentation:

Aus dieser umfangreichen Beschreibung des Begriffs Schädlingsbekämpfung lässt sich erahnen, dass diese nicht einfach auf das Konzept "Befall" vs. "Nicht-Befall" reduzieren lässt, wie es von vielen Auditoren während eines Lebensmittelsicherheitsaudit gerne einfach getan wird. Für den Schädlingsbekämpfer in Lebensmittelbetrieben bedeutet dies aber auch, dass er konstruktiv mit dem Lebensmittelunternehmen die Definitionen diskutieren/schulen und die Dokumentation entsprechend anpassen sollte. Ich möchte dies am Beispiel folgender Situation beschreiben.

Ein Unternehmen hat im Außenbereich etwa 100 m vom Produktionsgelände entfernt, Abfallkontainer für saubere Folien stehen, um eine einfache, tägliche Entsorgung sicherstellen zu können. Eigentlich stellen diese auf Grund der Entfernung und der Abfallart keine Gefährdung der Lebensmittelhygiene dar. Auf Grund des näherliegenden Bahndamms hat der externe Schädlingsbekämpfer diese Bereich mit Rattenmonitoren versehen, und dokumentiert regelmäßig bei den Begehung an mindestens einem der Monitore "leichter Befall". Gemeint ist, dass leichte Fraßspuren zu erkennen sind. Im einem IFS-7-Assessement würde durch die Formulierung jetzt folgende Situation entstehen:
1.) Anforderung 4.13.1 muss abgewertet werden, da durch den regelmäßig festgestellten "Befall" die installierte Infrastruktur einen Schädlingsbefall nicht verhindert.
2.) Anforderung 4.13.4 muss mindestens mit einem "B" bewertet werden, da nach dem ersten "leichten Befall" keine Maßnahmen ergriffen oder die ergriffenen Maßnahmen nicht wirksam sind.
3.) Anforderung 4.13.7 muss abgewertet werden, weil in der Wirksamkeitsanalyse nicht aufgefallen ist, dass hier ein permanenter Befall vorliegt.

Humorvoll würde ich sagen, gibt es zwei Maßnahmen um die Situation zu entschärfen:
a) Entfernen der Monitore, damit wäre kein befall mehr vorhanden (Erinnerung: Die Lebensmittelhygiene ist auf Grund der Entfernung und Abfallart nicht beeinflusst).
b) doppelte Buchführung.

Eigentlich sollte es aber nicht zu dieser Situation kommen. Liest mensch die DIN-Norm 10523, ergibt sich hier ein Ansatz, der aus meiner Sicht rechtskonform ist, aber eben oft in der Dokumentation nur lückenhaft dargestellt wird. Auch diese Abfallbehälter mit Monitoren zu versehen, ist im Sinne der Lebensmittelhygiene. Es geht hierbei darum, über diese Monitore eine Befallsermittlung durchzuführen, also Feststellung der möglichen Befallssorte, der Befallsausbreitung, der Befallsstärke. Ein Monitoring sollte aber immer Trends anzeigen. Legt man einfach nur die Werte "Befall/nicht-Befall" zu Grunde, also 0/1, kann kein Trend ermittelt werden. Wichtig. Auch ein "leichter Befall" bleibt entsprechend der Formulierung in der Dokumentation ohne nähere Erläuterung ein "Befall".

Fazit:
Zurück kommend zu Deiner Frage: Wichtig ist, Trends aufzuzeigen. Ich würde meine Dokumentation bspw. folgendermaßen aufbauen:
Unterteilung der Betriebsstätte in eine grüne und eine rote Zone.
a) In der grünen Zone werden mit Hilfe der Monitore neue Befallsort, die Populationsstärken und Zulaufstärken ermittelt, also Kurzgesagt der Befallsdruck auf die Betriebsstätte. Eine Erhöhung der Monitoringwerte sollte in dieser Zone immer in geänderte Präventionsmaßnahmen resultieren. Bleiben die Werte konstant oder sinken, ist keine Maßnahme notwendig. Hier bietet es sich an, mit engen Monitorgruppen zu arbeiten.
b) In der roten Zone (offene Lebensmittel) sollten keine Schädlinge vorkommen. Hier muss gesetzlich aus jedem positiven Monitor eine Maßnahme resultieren.
c) Dazwischen würde ich eine gelbe Zone setzen. In dieser ist die Lebensmittelhygiene nicht direkt gefährdet, aber Ziel ist es hier, jeden Nachweis auf einem geringen Niveau zu halten. Das geschieht unter anderem dadurch, dass die Monitore gleichzeitig eine Bekämpfungsfunktion haben (bspw. Rodentizide, Schlagfallen oder EIV-Geräte).Es bietet sich in dieser Zone aus meiner Sicht ganz klar mit monitorspezifischen Schwellenwerten (Schadschwellen) zu arbeiten.


Um in der bisherigen Begriffen zu verbleiben, kann mensch ja ggf. folgende von mir ausgedachte Tabelle in der Anlage nutzen:

Wichtig: Die Tabelle ist nur eine Idee und basiert daher nur auf einer Expertise. Sie muss auf jeden Fall durch einen kompetenten Schädlingsbekämpfer bewertet und mit dem Unternehmen kommuniziert werden. Die Risikoanalyse, auf welcher die Zonen beruhen, müssen aus meiner Sicht immer zusammen mit dem Unternehmen erstellt werden. siehe dazu IFS 7 (4.13.3: " Eine Person des Unternehmens ist zur Überwachung der Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen benannt und geschult."

Über eine anregende Diskussion würde ich mich freuen.


Angehängte Dateien
.pdf   Tabelle für beispielhafte Zonendefinition.pdf (Größe: 206,42 KB / Downloads: 2)
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